Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1687 des Abgeordneten Michael Jungclaus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Landtagsdrucksache 5/4279
Missachtung des Gerichtsurteils von 2006 beim Schallschutz des BER
Wortlaut der Kleinen Anfrage 1687 vom 15.11.2011:
Im Fachgespräch zum Schallschutzprogramm des BER im Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft am 22.09.2011 wurde dargelegt und durch das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft bestätigt, dass die Flughafengesellschaft bei der Bemessung von Schallschutzmaßnahmen massive Fehler begangen hat. Diese beziehen sich insbesondere auf ein unzureichendes Schutzniveau, welches den Schallschutzmaßnahmen zu Grunde gelegt wurde.
Ich frage die Landesregierung:
- Bei wie vielen Kostenerstattungsvereinbarungen für Schallschutzmaßnahmen am Flughafen BER wurde bisher das rechtswidrige Schutzniveau 6 Maximalpegel von 55 dB(A) tags im Rauminneren zugrunde gelegt?
- Welches sind die Gründe dafür, dass der Flughafen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.3.2006 und den Planfeststellungsbeschluss, in welchen das Schutzniveau am Tag „keine Überschreitung des Maximalpegels von 55 dB(A) im Rauminnern“ festgelegt worden sind, missachtet?
- Sind Sanktionen zu erwarten, wenn höchstrichterliche Urteile und Planfeststellungsbeschlüsse missachtet werden?
- Seit wann ist der Sachverhalt der Landesregierung bekannt?
- Trifft es zu, dass der Landesregierung hierzu ein Bericht des Flughafens vom Mai 2011 vorliegt?
- Was hat die Landesregierung bisher unternommen und was gedenkt die Landesregierung noch zu tun, um diesen Missstand zu beheben?
- Liegen der Landesregierung Informationen vor, ob staatsanwaltliche Ermittlungen gegen den Flughafenbetreiber, Aufsichtsratsvorsitzende und/oder Ingenieurbüros eingeleitet worden sind?
- Bis wann ist vorgesehen, die fehlerhaften Kostenerstattungsvereinbarungen zu korrigieren? Wird dies für alle KEVs erfolgen und wird hierbei zugleich das veränderte Nachtschutzniveau mit aufgenommen?
- Sieht die Landesregierung die Eröffnung des Flugbetriebs wegen des allein dem Flughafen zur Last zu legenden Verhaltens bei der Durchführung des Schallschutzprogramms für gefährdet an?
- Wie kann die Landesregierung eine beschleunigte, effektivere und korrekte Umsetzung des Schallschutzprogramms sicherstellen?
Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL) die Kleine Anfrage wie folgt:
Frage 1
Bei wie vielen Kostenerstattungsvereinbarungen für Schallschutzmaßnahmen am Flughafen BER wurde bisher das rechtswidrige Schutzniveau 6 Maximalpegel von 55 dB(A) tags im Rauminneren zugrunde gelegt?
Frage 2
Welches sind die Gründe dafür, dass der Flughafen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.3.2006 und den Planfeststellungsbeschluss, in welchen das Schutzniveau am Tag „keine Überschreitung des Maximalpegels von 55 dB(A) im Rauminnern“ festgelegt worden sind, missachtet?
Zu Frage 1 und 2:
Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes von 2006 zum Tagschutz sind in der Vergangenheit unterschiedlich interpretiert worden. Die luftrechtliche Planfeststellungsbehörde hat Anfang Dezember diesen Jahres gegenüber der FBS festgestellt, dass entsprechend ihrer Auslegung der Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.03.2006 der bauliche Schallschutz am Tag so zu bemessen ist, dass in den sechs verkehrsreichsten Monaten durchschnittlich weniger als einmal pro Tag ein Maximalpegel von 55 dB(A) im Rauminneren auftritt. Die Gespräche dazu sind noch nicht abgeschlossen; eine Bewertung ist infolgedessen noch nicht
möglich. Insofern sind die bisherigen Informationen nicht aussagekräftig.
Frage 3
Sind Sanktionen zu erwarten, wenn höchstrichterliche Urteile und Planfeststellungsbeschlüsse
missachtet werden?
Zu Frage 3:
Dies kann der Fall sein.
Frage 4
Seit wann ist der Sachverhalt der Landesregierung bekannt?
Frage 5
Trifft es zu, dass der Landesregierung hierzu ein Bericht des Flughafens vom Mai 2011 vorliegt?
Zu Frage 4 und 5:
In einem Bericht der FBS vom 17.05.2011 über den Stand der Umsetzung des Schallschutzprogramms BBI wird zum Tagschutzgebiet dargestellt, dass für die Dimensionierung des Schallschutzes das NATKriterium 6 x 55 dB(A) angewandt wird.
Frage 6
Was hat die Landesregierung bisher unternommen und was gedenkt die Landesregierung noch zu tun, um diesen Missstand zu beheben?
Zu Frage 6:
Die Planfeststellungsbehörde hat gegenüber der FBS festgestellt, dass der bauliche Schallschutz am Tag folgendermaßen umzusetzen ist: Es ist sicherzustellen, dass in den sechs verkehrsreichsten Monaten durchschnittlich weniger als einmal pro Tag ein Maximalpegel von 55 dB(A) im Rauminneren auftritt.
Frage 7
Liegen der Landesregierung Informationen vor, ob staatsanwaltliche Ermittlungen gegen den Flughafenbetreiber, Aufsichtsratsvorsitzende und/oder Ingenieurbüros eingeleitet worden sind?
Zu Frage 7:
Die Staatsanwaltschaft Potsdam führt einen Anzeigevorgang gegen Verantwortliche der Firma „Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH“ wegen des Tatvorwurfs des versuchten Betruges. Der Anzeige zufolge sollen die Verantwortlichen versucht haben, Anwohner des Flughafens über den Umfang ihnen zustehender Erstattungsansprüche im Zusammenhang mit Schallschutzmaßnahmen mit dem Ziel unzulässiger Kostenersparnis zu täuschen. Die Prüfung des Anfangsverdachts wegen versuchten Betruges ist noch nicht abgeschlossen. Daneben prüft die Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht von Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit möglichen Verstößen gegen das Landesimmissionsschutzgesetz.
Frage 8
Bis wann ist vorgesehen, die fehlerhaften Kostenerstattungsvereinbarungen zu korrigieren? Wird dies für alle KEVs erfolgen und wird hierbei zugleich das veränderte Nachtschutzniveau mit aufgenommen?
Zu Frage 8:
Der Diskussionsprozess um die Umsetzung der unter Ziffer 6 dargestellten Regelung ist noch nicht abgeschlossen.
Frage 9
Sieht die Landesregierung die Eröffnung des Flugbetriebs wegen des allein dem Flughafen zur Last zu legenden Verhaltens bei der Durchführung des Schallschutzprogramms für gefährdet an?
Zu Frage 9:
Es ist davon auszugehen, dass die Auflagen des PFB umgesetzt werden, so dass die Eröffnung des Flugbetriebes nicht gefährdet scheint.
Frage 10
Wie kann die Landesregierung eine beschleunigte, effektivere und korrekte Umsetzung des Schallschutzprogramms sicherstellen?
Zu Frage 10:
Die Umsetzung des Schallschutzprogramms liegt primär im Aufgabenbereich der FBS. Die Landesregierung drängt mit allen Möglichkeiten auf eine rasche und bürgernahe Umsetzung, dies auch auf der Ebene der Gesellschafter und des Aufsichtsrates.